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Eine Fahrradtour durch die Rocky Mountains
(28.08.- 29.09.2008)
Langsam versinken die Täler der Rocky Mountains im Schatten des Abends, als das Flugzeug Salt Lake City, die Hauptstadt des Mormonenstaates Utah, ansteuert. Sogar das Reisegepäck kommt rechtzeitig und die dazugehörenden Fahrräder von Dorothee Hoffmann und Dr. Lutz Gebhardt sind unversehrt. So kann die große Radtour über das größte Gebirge der USA beginnen.
Sechs Tagesetappen sind es bis Moab, wo wir schon mal die Kondition testen können, denn bevor der Green River und das gleichnamige Örtchen erreicht ist, müssen die Wasatch Mountains in 2273 m Höhe überwunden werden. Eigentlich sollte der Wind von hinten schieben, aber nun steht er uns straff im Gesicht.
Als Volltreffer erweist sich der Umweg über Cisco durch das Coloradotal nach Moab. Hier können wir viele der Formationen erleben, die für die Canyon- und Monumentlandschaft charakteristisch sind. Die Atmosphäre der Übernachtung neben tiefroten Sandsteinsäulen, deren Schönheit in der Abendsonne ihresgleichen sucht, wird unvergessen bleiben.
Der Ausflug zum Dead Horse Point entpuppt sich als schweißtreibende Angelegenheit, aber als Belohnung bekommen wir eine Aussicht geboten, die alle Mühen vergessen macht. Eine gigantische Canyonlandschaft, die der sich in vielen Schleifen windende Colorado hier gut 500 Meter tief in das weiche Gestein gefressen hat, tut sich vor uns auf! Der Rückweg durch den Long Canyon ist durch knöcheltiefes Geröll und extrem steile Abschnitte selbst bergab eine echte Herausforderung. Bergauf hätte uns die Strecke sicher verzweifeln lassen. Überwältigend ist die Felslandschaft im berühmten Arches Nationalpark, dessen Formationen, vor allem die roten Sandsteinbögen, in aller Welt bekannt sind. Nun haben wir genug rote Steine gesehen! Von den landschaftlichen Höhepunkten zieht es uns nun zu den topografischen – den hohen Bergen der Rocky Mountains.
Dunkle Wolken am Himmel verheißen nichts Gutes. Ein Quartier ist hier – mitten in den Bergen - nicht zu finden. So müssen wir wieder eine Zeltnacht einschieben – aber wo? Dann endlich ein ebenes Plätzchen ohne Stacheldraht davor! Das Schild "No Trespassing" und ein paar Bärenspuren können uns nicht beeindrucken. Das Abendbrot ist gerade beendet und die Packtaschen mit allen Lebensmitteln in die Bäume gehängt, als uns ein Gewitter mit fast kirschgroßen Hagelkörnern heimsucht. Am nächsten Morgen erblicken wir auf den Bergspitzen das erste Weiß des kommenden Winters.
San Juan Mountains nennt man diesen Teil der Rockies, wo mit dem Coalbank Pass (3243 m) und dem Molas Pass (3325 m) die ersten 3000er zu erklimmen sind. Mitten in den Bergen liegt Silverton - ein denkmalgeschütztes Westernstädtchen mit einer einzigartigen historischen Bausubstanz. Hätte man die Autos weggeräumt und dafür Pferde angebunden, wäre die Westernatmosphäre des 19. Jahrhunderts perfekt. Ehe wir das wildromantische Bergbaustädtchen, in dem noch bis 1991 der Kupfer- und Silberbergbau zu Hause war, über den 3358 m hohen Red Mountain Pass verlassen, genießen wir eine Nacht in weichen Betten und ein Dach überm Kopf. Es regnet die ganze Nacht, und am Morgen ist ringsum die weiße Pracht auf allen Berghängen zu bewundern. Red Mountains - die Landschaft macht ihrem Namen wirklich alle Ehre. Die Bergflanken leuchten in unzähligen Rot-Orange-Tönen, nun stehen dazu die weißen Bergspitzen im Kontrast.
Ehe wir den Blick in die schmale Schlucht des Black Canyon of the Gunnison hinab werfen können, müssen wir eine der steilsten Rampen hinauf. Die beeindruckende Aussicht in den ca. 800 m tiefen schwarzen Schlund lohnt die schweißtreibende Mühe.
Die Fahrt über den Cottonwood Pass (3696 m) mit unbefestigten Strecken ist für uns der bisherige Höhepunkt in den Rockies. Mit diesem Pass ist erstmals die kontinentale Wasserscheide Amerikas überwunden. Eine Zeltnacht mitten im Wald auf halber Höhe beschert uns für den restlichen Aufstieg eisgekühlte Erfrischungsgetränke mit ganzen Eisklumpen in der Flasche. Gleich nach der Ankunft im nächsten Tal geht es dem Fremont Pass (3450 m) entgegen, mit dem wir dummerweise wieder die pazifische Seite der Wasserscheide erreichen. Nun wechselt leider auch das Wetter. Wurden wir bergan noch ein bisschen vom Wind geschoben, bläst er bei der Abfahrt brutal ins Gesicht. Der Himmel ist grau, die Luft kalt. Am nächsten Tag geschieht das Wetterwunder: Der Himmel ist blitzblank und die Berge weiß. Der richtige Wind verleitet uns zur längsten Etappe (130 km), die uns bis nach Granby bringt.
Nun liegt nur noch der Rocky Mountains Nationalpark vor uns. Ein riesiger Gebirgsknoten, der von einer Straße überwunden wird, an der auf den nächsten 50 Meilen keine Unterkünfte zu erwarten sind. Deutlich spüren wir den nahenden Winter, über den Bergen zieht es sich bedrohlich zusammen. Aber wir müssen die Kontinentalwasserscheide noch einmal überqueren, um Denver zu erreichen. Und wieder ist am Morgen der Himmel strahlend blau. Dies ist das Wetter, auf das wir gehofft haben. Bereits um 8 Uhr sitzen wir im Sattel. Die ersten Kilometer sind noch Spaß, wenn man von den mageren 3 °C absieht. Dann wird es ernst. Den Milner Pass (3279 m) erreichen wir noch bei Sonnenschein, aber schon ziehen Wolken über den Bergen auf.
Als wir in der Medicine Bow Curve Pause machen, ballt es sich über den Bergspitzen tiefschwarz zusammen. Schneeschauer eilen direkt auf uns zu, eiskalter Schneematsch klatscht uns an die Seite. Zum Glück ist der Fall River Pass (3595 m) mit dem Alpine Visitor Center nicht weit. Hier finden wir fürs Schlimmste Unterschlupf. Bis zum High Point (3713 m) ist es dann nicht mehr weit. Den Iceberg Pass (3602 m) nehmen wir gar nicht richtig wahr: Es geht nur noch bergab. - Hurra! Wir haben es geschafft. Die Rocky Mountains sind überquert! Mit über 50 km/h sausen wir Estes Park entgegen. Denver ist mit 80 Meilen Entfernung in Schlagdistanz.
Nun haben wir alle Zeit der Welt, die eingeplanten Zeitreserven waren nicht nötig. Eigentlich haben wir alles erreicht was wir wollten und könnten uns nun ein paar gemütliche Tage machen. Aber unübersehbar und anziehend ragt in Idaho Springs direkt neben uns der Mount Evans, der höchste befahrbare Punkt Nordamerikas in die Höhe. Herrlicher Sonnenschein gibt den letzten Ausschlag – da müssen wir hin! Wir gehen die Sache ruhig an und können am Abend schon auf die ersten 800 Höhenmeter gelassen zurückblicken. Weil die schon teilweise mit Schnee bedeckte Straße ab dem Summit Lake gesperrt ist, müssen wir nur den halben Mautpreis berappen. Die Kassiererin muss wohl unser bedeppertes Gesicht gesehen haben, als sie aufmunternd spricht: "Das gilt für alle Fahrzeuge, nur nicht für Fahrräder. Sie dürfen bis ganz hoch." Das klingt leichter, als es getan ist. Doch bei strahlendem Sonnenschein und eiskaltem Wind erreichen wir um 14:03 Uhr den 4346,5 m hohen Gipfel. Nach einer kurzen Verschnaufpause, nach der wir alles an wärmenden Klamotten überziehen, beginnt eine rauschende Götterabfahrt ins Tal, die die mühseligen Stunden des Aufstieges vergessen macht.
Schon vom Gipfel haben wir im Dunst die Skyline Denvers gesehen. Doch nun werden wir von den Rocky Mountains förmlich ausgespuckt. Die Straße wird breiter, ein gigantischer Autobahnring kreuzt unseren Weg, und vor uns ist es flach. Zwei Tage streifen wir durch die Metropole und nehmen ihr großstädtisches Flair in uns auf. Auf insgesamt 2235 km haben wir 22.898 Höhenmeter bewältigt, 7 Pässe von über 3000 m Höhe überquert und hatten lediglich drei Reifenpannen.
Weitere Informationen über meine Fahrradreisen
gibt es hier: www.lilu.tk
Dr. Lutz Gebhardt, Ilmenau
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