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Auf den Spuren von Gegensätzen, von Amüsements, Kunst und Kultur. Auf einer Entdeckungsreise durch das alte und neue Paris.
Von Henry Czauderna
Es wird dunkel über Paris. Das Himmelblau des Tages verwandelt sich allmählich in die schwarze Mystik der Nacht. Ein Lichtermeer breitet sich in der scheinbar unendlichen Weite des Horizonts aus.
Wir sitzen auf den Treppen vor Sacré-Coer, jenem außergewöhnlichen Bauwerk, welches zu Paris ebenso gehört wie der Eiffelturm. Hier auf dem Hügel »Montmartre« genießen wir eine Atmosphäre, die es wohl kein zweites Mal in Paris zu geben scheint. Touristen, Studenten, Au-Pairs und immer wieder auch junge Liebespärchen vereinen sich an diesem Platz, um dem Tag einen Hauch von Besinnung zu verleihen.
Einer der Studenten hat seine Handtrommel mit her gebracht und spielt einen zur Abenddämmerung passenden sanften Takt. Einige aus Asien und Afrika stammende Einwanderer bieten Getränke an, die in Eimern mit Eiswürfeln gekühlt wurden.
Ein paar Meter von Sacré-Coer entfernt, auf dem Place du Tertre, dem Künstlerviertel von Paris, stehen die Malerstaffeln auch noch am späten Abend. Und auch die Anzahl der Besucher hat sich in den letzten Stunden keineswegs verringert. Von den umliegenden Restaurants scheint Licht auf die Menschen, die sich hier von den verrücktesten Malern porträtieren lassen. Andere Künstler haben sich auf Scherenschnittporträts spezialisiert und finden ebenso Beachtung, wie jene, die durch Karikaturen ihre künstlerische Begabung präsentieren. Überall richten sich die Objektive und Mikrophone der Kameras auf die Maler und deren Models.
Währenddessen auf dem Place du Tertre der Tag langsam dem Ende zugeht, fängt dieser ein paar Straßen weiter gerade erst an. Im Rotlichtviertel Pigalle verlocken Leuchttafeln mit den Aufschriften "Sexshop", "Peepshow" oder "Striptease-Lokal" die Besucher zum Eintreten. Prostituierte treffen letzte Absprachen mit ihren Zuhältern und mit dem Revuetheater Moulin Rouge haben wir zugleich eines der bekanntesten Gebäude dieser Gegend entdeckt.
Am nächsten Morgen in einer der zahlreichen Métro-Stationen: Wer Paris und den Alltag der Pariser kennenlernen möchte, der nutzt die Métro als Verkehrsmittel. Schneller, billiger und sicherer kommt man in dieser Metropole nicht von einer Stelle zur anderen. Mit rund 200 Kilometer Tunnel und mehr als 300 Stationen zählt die Pariser Métro zu den größten der Welt.
14 Linien gibt es in Paris, kein Punkt der Stadt ist mehr als 500 Meter von der nächsten Station entfernt. Auch wir wollen diese Métro kennenlernen und so fahren wir all die Tage kreuz und quer auf den Gleisen der unterirdischen U-bahn-Schächte. Die Waggons sind meist voll, Anonymität bestimmt die kleinen Reisen in der Stadt unter der Stadt. Hier ist man einer von Hunderttausenden, die täglich durchgeschleust werden. Elf Millionen Einwohner leben im Großraum Paris, was rein rechnerisch der Bevölkerung von Berlin, Hamburg, München, Wien und Zürich zusammen entspricht. Einfache Arbeiter aus den Vororten treffen hier auf die mit Anzug und Krawatte fein gekleideten Geschäftsleute der Bankenviertel. Immer wieder stoßen wir in der Métro auf ausgeflippte Musikanten, sogenannte Clochards. Mit Akkordeon, Gitarre oder Cello spielen die lange Zeit als Lebenskünstler eingeordneten Typen in den Abteilen und finanzieren sich durch Spenden. Die Musik allerdings ist indes nicht immer ein Ohrenschmaus. Auf kleine Geldgaben hoffen auch die zahlreichen Bettler, die in den langen und oft schlecht belüfteten Gängen der Métro ihre Hände aufhalten.
Über der Erde tobt indessen der tägliche Kampf um die Touristen. Wir sind am Eiffelturm, einem der Hauptanziehungspunkte in dieser Stadt. Mit Souvenirs vollbepackte Afrikaner versuchen jeden Tag aufs neue, ihre kleinen goldenen Türmchen oder fliegende Papiertauben in bare Münzen umzuwandeln. Da stehen wir nun, unter einem 300,5 Meter hohen Turm, einst der höchste der Welt. Mit Antenne misst er heute 320,8 Meter. Gustav Eiffel, der Ingenieur dieses Bauwerks, wurde Anfangs fürchterlich gescholten, als er mit diesem "nackten Turm" das Pariser Stadtbild angeblich verschandelte. Ich frage mich, wie Paris zuvor wohl ausgesehen hat - bevor rund 12.000 Einzelteile mit einem Gewicht von 7.175 Tonnen zu einem Wahrzeichen wurden.
Was für einen großen Traum, für eine Vision muss dieser Mann doch gehabt haben, dass er trotz all der Kritik dieses Symbol von Paris in Angriff nahm?
Nach nur zweijähriger Bauzeit wurde der Eiffelturm schließlich am 6. Mai 1889 eingeweiht. Wenig später war er aus dem Stadtbild von Paris nicht mehr wegzudenken. Jährlich kommen 5,7 Millionen Besucher an diese Stelle. Mit Aufzügen oder zu Fuß - wenn auch etwas langsamer - kommt man in die drei Etagen des Turms. Wir entscheiden uns für die letztere Variante, denn durch Einsatz der eigenen Muskeln zahlen wir nur etwa ein Drittel des sonst üblichen Preises.
Auf diese Weise können wir auch all die Arbeiter sehen, die - wie Bergsteiger festgegurtet - mit Reparaturarbeiten beschäftigt waren. Neben der reinen Aussicht gibt es in luftiger Höhe aber auch anderes zu entdecken. So befindet sich in der ersten Ebene - die ist immerhin 57 Meter hoch - das berühmte Restaurant "Jules Verne". Außerdem gibt es eine Poststation, Telefonzellen und natürlich auch Toiletten. Wer wie wir die Aussicht bei blauem Himmel und Sonnenschein genießen kann, wird diesen Eindruck in seinem Leben wohl nie wieder vergessen. Bei klarer Sicht reicht der Blick bis zu 100 Kilometer weit über die Ile de France. Man müsste viele Tage in Paris bleiben, um alle wichtigen Bauwerke, Kirchen, Museen und Parks der Stadt kennen- und verstehen zu lernen. Paris wirkt indes wie eine Bühne.
All die Sehenswürdigkeiten und geschichtlichen Zeugen sind nur ein Augenzwinkern voneinander entfernt. Notre Dame, Louvre und Arc de Triomphe wirken wie Bausteine in einem Kinderspiel.
Hinter dem Palais de Chaillot ragt das Bankenviertel "La Defense" - das Mannhattan von Paris - gen Himmel. Auch die "Grand Arche" - den 1989 eröffneten "Bogen der Zukunft" - kann man deutlich erkennen. Von hier oben aus gesehen, ist es nur eines von vielen Gebäuden der Stadt. Steht man allerdings davor, definiert man es nur noch als eine Meisterleistung der Architektur. Das neueste Wahrzeichen von Paris - bestehend aus weißem Carrara-Marmor - ist ein Denkmal, das sich der ehemalige französische Präsident Mitterrand gesetzt hat. Mit 110 Metern ist es gut doppelt so hoch wie der Triumphbogen vom Etoile.
Selbst Notre Dame würde darunter passen.
Trotz all der Hektik in dieser großen Stadt finden die Pariser aber immer wieder aufs Neue ihre ganz eigene Gelassenheit. In den unzähligen Cafés und Bistros sitzen sie oft stundenlang mit Freunden oder Kollegen zusammen und unterhalten sich. Wer alleine ist, der hat dann meist eine Zeitung dabei, die in aller Ausführlichkeit gelesen wird. Tische und Stühle stehen so weit es geht draußen und immer zur Straße hin geöffnet. Man will sehen und gesehen werden. Hier - aber auch auf den zahlreichen Märkten - fühlen sich die Pariser wohl. Hier ist jeder sein eigener Hauptdarsteller in dem Theater der Eitelkeiten.
So auch die Obst- und Gemüsehändler, die mit lauten Gesten der Überzeugung ihre Waren anpreisen. Ein für Paris typisches Straßenbild. Mangos, Bananen, Weintrauben, Pfirsiche und Kirschen - oft zu waren Kunstwerken aufgestapelt - werden zu einem Fest fürs Auge. Der süßliche Geschmack der Kostproben ist ein Genus, und nicht selten geht man danach mit vollen Obsttüten die Straße weiter.
Unser Streifzug durch die Stadt führt uns zu den Katakomben von Paris. In einem kleinen unscheinbaren Haus gelangen wir zu einer engen Wendeltreppe, die uns 91Stufen in die Tiefe führt. Lange dunkle Gänge führen uns zu einer Inschrift: "Arrte, c`est ici l`empire des Mort" (Halt ein, hier ist das Reich der Toten). Makaber für den einen oder anderen. Millionen von Knochen und Schädeln - oft voller Staub und Spinnweben - wurden links und rechts des Weges aufeinandergestapelt. Als alte Pariser Friedhöfe den Bebauungsplänen der Stadt weichen mussten, fanden die Gebeine in den Katakomben ihre letzte Ruhe und wurden für die Öffentlichkeit zu Zeugen einer längst vergangenen Zeit. Die Besuchergruppe, mit der wir heute hier unten sind, wird still. Voller Besinnung laufen wir fast zwei Kilometer durch die Schächte entlang.
Beim Verlassen der Katakomben entdecke ich - genau darüber - eine Einkaufsstraße mit Supermärkten, Boutiquen, einem Mc Donalds und eine Straße voller Autos. Ein wohl ganz außergewöhnlicher Kontrast.
In ein paar Stunden wird es wieder Nacht in Paris. Menschen werden auf den Treppen vor Sacré Coere sitzen, und sie werden das Lichtermeer der Stadt bewundern - das Lichtermeer am Horizont von Paris.
Text und Fotos: Henry Czauderna - Rückertstraße 4 - 98527 Suhl - Telefon: 03681/804279
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